So liebe Leute,
laaange musstet ihr mal wieder warten und für mich wird es
mal wieder schwer, nach den vielen Wochen (fast sind es Monate) zu entscheiden, was ich euch am
besten zuerst erzähle…
Vielleicht ist es ja mal an der Zeit euch etwas mehr
Einblick in meinen Arbeitsalltag zu geben, damit ihr nicht denkt, ich sei hier
nur urlaubsmäßig unterwegs. In den letzten Wochen haben wir uns mit unseren
Schülern sehr viel künstlerisch betätigt. Am 6.6. fand nämlich an unserem
Schulzentrum das „Festival Estudantil de Artes“ (FEA) statt – einfach
übersetzt: Kunstfestival der Schüler, wobei die Abkürzung auf Spanisch recht
ungünstig gewählt ist, denn „fea“ bedeutet hässlich… Alles andere als hässlich
waren allerdings die verschiedenen Kunstprojekte, die im Rahmen dieser Aktion
in den Klassenzimmern unter den Händen von Schülern, Lehrern und Eltern
entstanden und am 6.6. auf dem Schulgelände ausgestellt wurden, damit die
außerschulische Jury sie bewerten konnte. Leider konnte ich selbst an diesem
Tag nicht dabei sein, weil wir an jenem Tag unser erstes Meeting mit allen
AFS-Freiwilligen in San José hatten und die Teilnahme an diesen, nennen wir sie
mal „Auswertungsveranstaltungen“, ist nun mal leider Pflicht. Glücklicherweise
wurde schon am Tag zuvor viel vorbereitet und so konnte ich wenigstens ein paar
Fotos machen.
Unser eigenes Kunstprojekt war eine Skulptur des Baumes
„corteza amarilla“, der typisch für die Region San Carlos ist. Diese Bäume
stehen fast immer einzeln zwischen anderen Baumtypen oder ganz abgesondert. Sie
sind ordentlich groß (bis 25m) und stechen in der Blütezeit ins Auge, wenn sie
kein einziges grünes Blatt tragen, sich aber dafür 4-5 Tage lang übervoll mit
tiefgelben Blüten schmücken. „corteza“ bedeutet auf Deutsch „Rinde/Borke“ und
„amarilla“ ist die Farbe Gelb. Ich hab mich anfangs gewundert, warum der Baum
„gelbe Rinde“ genannt wird, weil doch schließlich die Blüten gelb sind! Aber
nach kurzem Google-Nachforschen war ich schlauer: offenbar ist die Rinde –
zumindest an den Ästen des Baumes – von innen auch gelb und ebendieser
Absonderlichkeit verdankt der Baum seinen Namen… Bezeichnung hin oder her, Fakt
ist, dass sie irre schön anzusehen sind und wer von euch Zugang zu meinem
Facebook-Profil hat, der weiß jetzt auch woher der Blütenteppich stammt, auf
dem ich in meinem Profilbild sitze ;-)
Für alle die keinen Facebookaccount haben, hier nochmal Fotos vom echten Baum. Da sind wir nämlich mit den Schülern hingefahren, damit die auch sehen und verstehen, was sie da eigentlich gerade basteln...
auf dem Blütenteppich :) |
Jordany streicht mithilfe seiner Mama die Zeitungsstreifen mit Leim ein |
Aber back to the topic: besagten Baum haben wir in wirklich
mühevoller Arbeit aus…Drahtgestell, Unmengen von Lagen von Zeitungspapier mit
Leim, einer weiteren Mischung deren Namen ich auf Deutsch nicht kenne, Farbe
und noch größeren Unmengen von gelbem Moosgummi für die Blüten…nachgebildet.
Unsere Schüler haben wir entsprechend ihren individuellen Möglichkeiten bei den
einzelnen Schritten eingesetzt, vom Papierfalten über das Einstreichen mit Leim
oder Farbe bis zum Ankleben der Blüten an den Ästen.
Daxel pinselt die Äste mit Leim ein damit wir noch mehr Lagen Zeitung drumwickeln können |
Raxel faltet mit Connie Zeitungsstreifen |
Allan bemalt den Baumstamm |
Ich habe während des
Prozesses Videos von den Schülern bei der Arbeit gemacht und daraus eine
PowerPointPräsentation zusammengestellt, denn uns kam es besonders darauf an,
dass Außenstehende auch wirklich sehen und begreifen, dass diese Kinder trotz
aller Unzulänglichkeiten künstlerisch aktiv sein und am Ende etwas wirklich
Schönes erschaffen können.
Allan & José beim Mischen der Masse, die den Stamm noch verstärken soll |
Sebastian hilft beim Blüten basteln |
leider hab ich grad nur dieses Bild vom "kleinen" Baum da. inzwischen ist er fast doppelt so groß und noch viel schöner, mit blauen Schmetterlingen, die auf den Blüten sitzen... |
Resulta que… ganamos primeroooo!!! – Unser Projekt
hat die Jury überzeugt und wir haben den ersten Platz innerhalb unserer Schule
belegt. Infolgedessen waren wir am 23. Juli erneut in Wettstreit gegangen,
diesmal auf regionaler Ebene mit allen Schulen aus der Umgebung San Carlos.
Dafür mussten wir unser Bäumchen allerdings noch etwas wachsen lassen, was
hieß, auch nach dem 6.6. fleißig weiter mit Zeitungspapier, Kleber, Farbe und
Moosgummi werkeln… aaaaber, die Mühe hat sich tatsächlich gelohnt! Wir haben
wieder gewonnen, yay!
Die ersten beiden Juliwochen waren hierzulande Ferien, d.h.
auch ich hatte frei. Am letzten Schultag davor gab es ein schönes Fest für die
Schüler auf dem Schulgelände. Alles war suuuuper hübsch geschmückt mit irre
vielen Luftballontieren und –blumen, sowas hab ich noch nicht gesehen. Es gab 3
Hüpfburgen und natürlich hat auch das obligatorische Kinderschminken nicht gefehlt…
Ich hatte am Tag zuvor unsere Aula mit Krepppapier ein bisschen geschmückt. Die
größte Überraschung für mich war, dass alle, die zu unserer Aula gehören, mir
nochmal nachträglich ein Geburtstagsständchen gesungen haben und ich einen
unglaublich leckeren Schokoladenkuchen bekommen habe! War wirklich lieb von
ihnen…
der geschmückte Klassenraum |
eine der 3 Hüpfburgen |
der Eingangsbereich des Schulgeländes |
"Profe Braulio" - unser Sportlehrer, einer der Jüngsten hier mit inzwischen 24 Jahren |
"bitte alle mal verrückt gucken..." |
Mein Geburtstag hier war übrigens auch sehr schön, das hatte
ich im Leben nicht so erwartet. Am Abend zuvor habe ich mit meinen Freunden
hier (Ticos & Freiwillige aus Dtl.) in einer (bzw. mehreren) Bars
reingefeiert. Um Mitternacht flogen plötzlich Luftschlangen auf mich zu, es
wurde Feliz Cumple gesungen und ich durfte einen brennenden alkoholischen
Cocktail schlürfen. Ich muss gestehen, dass mir ein paar Szenen des späteren
Abends fehlen X-)
der obligatorische "torre" (Bier-Turm) & die Luftschlangen |
mi amigo más loco - Walter Pior : ) |
Nichtsdestotrotz ging es mir am Morgen blendend als ich von
dem Freund, wo wir übernachtet hatten, nach leckerem Bettfrühstück wieder mit
dem Bus heim bin, um Jenny mit den Vorbereitungen für mein Geburtstagskaffee zu
helfen. Das wollte sie nämlich gern für mich ausrichten, wie ich knapp eine
Woche vorher erfuhr. Ich war erstaunt, wie viel Mühe sie sich gemacht hatte:
von der Nachbarin erfuhr ich, dass sie die ganze Woche heimlich nachts gebacken
hatte… irgendwoher hat sie eine Art Campingtische und Stühle organisiert sowie
schöne Tischdecken und die Nachbarin hat aus Hortensienblüten die Tischdeko
gestellt. Und weil man Frauen ja bekanntlich nicht nach dem Alter fragt,
steckte auf meinem Geburtstagskuchen keine „26“ sondern ein „?“ als Kerze :D
eine Hälfte der Geburtstagskaffeegesellschaft... |
Da ich einladen durfte, wen ich wollte, kamen neben Dorian
und Helena auch noch meine Arbeitskollegin Hazel und Karina vom Fitness.
Zusätzlich bestand die Runde aus 2 unserer Nachbarinnen, Vera vom AFS-Komitee
und Dorians Gastfamilie, die natürlich auch gekommen war, um Dorian zu
verabschieden. Das war das einzige, was es mir unmöglich gemacht hat, den Tag
uneingeschränkt zu genießen – denn es war gleichzeitig die letzte Gelegenheit,
in der ich Dorian vor seiner Abreise am Abend nochmal sehen sollte. Somit
verbrachte ich meinen Geburtstag also mit sehr gemischten Gefühlen. Einerseits
war ich glücklich über die vielen lieben Menschen, die den Tag mit mir teilten,
über die herzlichen Worte und Glückwünsche und auch mit so vielen schönen
Geschenken hatte ich nicht gerechnet, weil ich nicht dachte, dass das
hierzulande üblich ist. Andererseits hat das Bewusstsein über den
bevorstehenden Abschied arg an mir gezerrt. Normalerweise nehme ich sonst
Abschiede nicht so dramatisch, aber anscheinend ist es doch etwas anderes, wenn
man sich in relativ kurzer Zeit so gut kennenlernt und viele besondere Momente
geteilt hat. In den letzten Wochen hatten wir uns auch fast täglich gesehen –
da bin ich dann also doch auch mal auf meinen Emotionen hängen geblieben und
musste mit den Tränen kämpfen als Dorian ins Auto stieg :‘-( Die ersten Wochen
danach waren auch wirklich eigenartig, aber das Leben geht sowohl in
Deutschland als auch in Costa Rica weiter…
An einem der längst vergangenen Sonntage hatte ich Jenny kurz von
meinem Plan erzählt, von unserem Haus in San Gerardo aufwärts Richtung Berg zu
wandern und da endlich mal die Gegend zu erkunden, da ich ja nun schon 5 Monate
hier wohnte und noch nichts von meiner allernächsten Umgebung kannte… Daraufhin
meinte sie, dass sie ebenfalls in den 7 Jahren, die sie schon hier wohnt, noch
nie dort oben war. Also hat sie bei den Nachbarn angerufen und gefragt, ob uns
der Sohn begleiten würde und den Weg zum Wasserfall zeigt, denn sie hatte
Sorge, dass wir uns sonst verlaufen würden. Dieser Gedanke hat sich als absolut
richtig herausgestellt – wir hätten niemals-nich-kein-mal-nirgendwann bis dahin
gefunden! Zu viele Abzweigungsmöglichkeiten und einfach zu viel Grün. Man sieht
einen Wasserfall auch einfachmal erst, wenn man schon so 10m nah dran ist. Und auch
hören kann man ihn erst aus so 25m Entfernung, weil der dichte Wald die
Geräusche ebenfalls super abschottet. Etwa eine Stunde brauchten wir für den
Aufstieg, als es auch schon anfing zu regnen. Unser Begleiter erklärte uns die
allerletzte Etappe und machte sich auf den Rückweg. Ich hatte zwar wie immer
hier meinen Schirm dabei, allerdings keine Regenjacke und im Wald nützt Schirm
nicht viel, weil man nirgends durchkommt bzw. 2 Hände braucht um voran zu
kommen ohne hinzufallen. Überraschenderweise kümmerte es Jenny gar nicht, dass
wir klatschnass werden würden, obwohl man sie sonst eher als „Lady“ bezeichnen
würde, die immer perfekt gestylt unterwegs ist. Es ging also weiter bis es
absolut nicht mehr weiter ging. Leider fanden wir an diesem Tag keinen Punkt,
von dem aus wir den Wasserfall wirklich schön hätten sehen können. Es war durch
den Regen einfach zu rutschig und gefährlich um irgendwelche Kletteraktionen zu
wagen. Also traten wir irgendwann den Rückweg an.
Blick von oben auf (einen Teil von) Ciudad Quesada |
Eine knappe Woche später in den Ferien bin ich an einem
sonnigen Freitagmorgen nochmal allein in Richtung Berg und diesmal war es
trocken genug, dass ich entlang bzw. teilweise innerhalb des Flussbetts
wortwörtlich über Stock und Stein bis zum Wasserfall vorgedrungen bin.
Begleitet wurde ich nur von zwei blauen Morphos, von denen sich einer
erstaunlich dicht an den Wasserfall herangetraut hat. Ich liebe diese
gigantischen Falter wirklich, weil sie fast immer einzeln und wie aus dem
Nichts auftauchen. Dann muss ich einfach stehen bleiben und ihren tiefblauen
Flügelschlag verfolgen, der manchmal wie eine Zeitlupe wirkt und ein andermal
viel zu schnell für die großen Flügel erscheint… Dass ich bei diesem Ausflug
sogar zwei im Tanz miteinander bestaunen durfte, hat mir für den restlichen Tag
ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Laut einigen (abergläubischen) Ticos
erwarten einen gute Neuigkeiten, wenn man einen blauen Morpho sieht. Sei es nun
Aberglaube oder nicht – eine Schönheit der Natur sind sie allemal und mir
persönlich reicht das schon!
der charakteristische Berg direkt oberhalb von San Gerardo |
unterwegs im Flussbett |
Sooo, damit muss ich schon wieder zum Ende kommen, denn gleich werden wieder die Tore der Schule geschlossen und so schön es hier auch ist, möchte ich doch nicht übernachten müssen... Dabei gibt es noch jede Menge zu erzählen und wie immer noch viele Fotos mehr.
Wer Lust auf noch ein paar bildliche und musikalische Eindrücke hat, der möge sich die Regionalhymne von San Carlos anhören! Das Video zeigt am Anfang auch den Berg, den solltet ihr nach meinem Foto wiedererkennen und gleich das erste Bild zu Videobeginn ist eine Aufnahme der Hauptkirche und des Parks von Ciudad Quesada...hier der Link: http://www.youtube.com/watch?v=ge5mPqMWFok
Ich hoffe, ihr hattet wieder Spaß beim Lesen und Bilderschauen! Falls jemand Fragen hat oder etwas genauer wissen will...lasst es mich über die Kommentare wissen oder meldet euch per Mail oder Facebook!
Hasta luego,
Pia